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#10 - Unerwartete Herausforderungen

Aktualisiert: 25. Aug. 2023


An unserem letzten Tag in Nashville, Tennessee, haben wir wieder einmal nach längerer Zeit beschlossen, für ein paar Stunden getrennt durch die Stadt zu wandern, so wie wir es auch unter anderem schon in Sydney gemacht haben. An dieser Stelle verweise ich gerne auf unseren fünften Blogbeitrag, in dem ich auf meinen ersten großen alleinigen Spaziergang während der Weltreise näher eingehe. Zurück nach Nashville: Wir haben uns nachmittags im Zentrum der Stadt getrennt und ich (Alex) bin auf die Idee gekommen, die bekannte Belmont University zu besichtigen. Also schnell auf Google Maps nachgeschaut (2,2 km entfernt, das ist doch machbar) und los ging es. Dazu muss ich sagen, dass ich schon immer, trotz meiner Behinderung, ein ganz guter „Läufer“ war. Wenn ich etwas im Bereich Fortbewegung, gemessen an meiner Behinderung, gut kann, dann ausdauernd recht lange Strecken in meinem eigenen Tempo zurücklegen. Dabei bedeuten lange Strecken für mich allerdings zwei Kilometer und aufwärts. Aus diesem Grund habe ich mich noch versichert, dass es einen Bus zurück zu unserem abgemachten Treffpunkt gibt. Denn fast fünf km in einer recht kurzen Zeit zu laufen, ist mir dann doch zu viel. Ich bin also von einem ausgedehnten Spaziergang ausgegangen, auf dem ich mich unter ein paar Studierende mischen wollte.


Der Hinweg verläuft auch reibungslos. Nach einem Stopp in einem Fast Food Restaurant, bei dem ich mir nur Wasser geben lasse (in den USA gibt es eigentlich überall kostenlos „tap water“, Wasser aus der Leitung), komme ich gut an der Belmont University an. Ich weiß zwar, dass gerade Sommerpause ist, bin aber schon von ein paar Menschen auf dem Campus ausgegangen, wie es auch in New York der Fall war. Hier hatten wir uns auch zwei verschiedene Universitäten angesehen, welche jeweils sehr gut besucht waren. Doch dieser Campus und alle Gebäude sind menschenleer.



Vorbildlich gemähte Rasenfläche als Zentrum des Campus der Belmont University


Ich also, neugierig wie ich bin, einfach rein in die Gebäude, welche übrigens sehr schön und majestätisch sind. Ein komisches Gefühl, komplett allein in einer Universität rumzuspazieren, an Vorlesungssälen vorbeizulaufen und durch Türen in Büros reingucken zu können.



Ein sehr vornehmer Eingangsbereich der Uni (leider unscharfes Foto)


Das Janet Ayers Academic Center der Belmont University


"Na ja", denke ich mir, "dann kannst du ja auch wieder gehen." So mache ich mich also auf den Weg, zu der von mir vorher herausgesuchten Bushaltestelle. Auf dem Weg dorthin sehe ich, wie sich der Himmel über der Stadt verdunkelt und in der Ferne höre ich schon das Donnergrollen. Zum Glück habe ich mich dazu entschieden, mit dem Bus zurückzufahren. Vor allem auch deswegen, weil dieses Mal unser Treffpunkt knapp vier Kilometer entfernt liegt.


Ich warte und warte und warte…. nur leider kommt kein Bus. So gucke ich wieder auf mein Handy und sehe, dass aus irgendeinem Grund der nächste Bus erst in zwei Stunden fahren soll. Super… so muss also Plan B her: Uber.


Diese günstige Alternative zum Taxi verbreitet sich seit ein paar Jahren weltweit. Man bestellt bequem über eine eigene App und zahlt auch über diese. Schon in Asien und Südamerika habe ich die Erfahrung gemacht, dass mir die Taxi- oder Uberfahrer*innen beim Einsteigen helfen. So ist dies gerade in Asien ein günstiges und einfach zu benutzendes Transportmittel für mich gewesen, gerade wenn ich mal allein unterwegs war.


Also versuche ich ein Uber über die App zu bestellen. Im letzten Schritt fordert mich die App dann aber leider unerwarteterweise nochmals dazu auf, ein offizielles Dokument von mir zu verifizieren. Ich habe natürlich, wie es zu diesem Nachmittag passt, keins dabei… Ausnahmsweise hatte an dem Tag Lovis meinen Ausweis bei sich, weil er diesen am Wochenende der Einfachheit halber bei sich eingesteckt hatte, nachdem wir die Ausweise vorzeigen mussten, um in eine Bar hereinzukommen.


Also, kein Uber und kein Bus… ich gucke noch einmal bei Google Maps nach, da stehen leider immer noch diese knapp vier Kilometer zu Fuß. Was bleibt mir groß anderes übrig? Ein Taxi ist, anders als in Asien oder Südamerika, bei unserem begrenzten Budget leider viel zu teuer. Also muss ich wohl laufen. Ich weiß, dass ich für 1,7 Kilometer Fußweg, etwa eine halbe Stunde brauche. Dementsprechend müsste ich für diese Strecke etwas mehr als eine Stunde brauchen. Ich laufe los, obwohl über der Innenstadt die Wolken mittlerweile immer dunkler werden und ich schon vereinzelt Blitze zucken sehe.



Dunkle Gewitterwolken über der Innenstadt

(Leider konnte ich keine Blitze fotografieren, die Gewitterwolke war auch noch deutlich größer)


Zu meinem Glück, so beurteile ich die Situation in dem Moment zumindest, wird das Gewitter mich nur streifen, da es von mir aus gesehen, hinten links mich einmal knapp kreuzen wird. Ich laufe quasi dem Gewitter hinterher.


So mache ich mich dann auf den Weg und rufe Lovis an, dass es jetzt erst einmal eine Weile dauern kann, bis ich bei dem Treffpunkt sein werde.


Der erste Teil der Strecke verläuft recht ereignislos. Es fühlt sich irgendwie komisch an, durch diese fast menschenleeren Straßen zu laufen. Noch bin ich in einer Art Vorort unterwegs, wo es keine Touristen hin verschlägt. Trotzdem frage ich mich, warum es soo leer ist. Dann erinnere ich mich, dass viele Amerikaner gerade im Urlaub sind und das aufziehende Gewitter lockt auch nicht gerade Spaziergänger an. Als ich dann an einer Gruppe junger Männer vorbeikomme, die bei ihren Autos stehen, überlege ich kurz sie zu fragen, ob sie mich in die Innenstadt fahren können. Ich entscheide mich allerdings dagegen, weil ich einen von ihnen torkeln sehe und er dazu auch noch in einem Streit zu sein scheint.


Also geht es für mich weiter. Wie ich so darüber nachdenke, was ich mir zu Essen bestellen werde, da der Treffpunkt von Lovis und mir ein bekannter Imbiss ist, der angeblich die besten Chicken Wings in Nashville verkauft, merke ich plötzlich, wie der Wind dreht. Hatte ich vorher Rückenwind, der das Gewitter glücklicherweise vor mir hergeschoben hat, kommt dieser nun plötzlich von vorne. "Oh je", denke ich mir und fange an, so schnell zu laufen, wie ich nur kann… Denn in dem Moment bin ich noch nicht von den ganzen Hochhäusern in der Innenstadt umgeben, die noch vor mir liegt, sondern laufe neben einer recht breiten Straße mit normalen Wohnhäusern unter einer Stromleitung entlang. Das aufkommende Seitenstechen ignoriere ich, Lovis soll später nicht erzählen müssen, dass ich in Nashville gebraten wurde.


Der Wind frischt auf. Ich bekomme erste Tropfen ab, aber zum Glück wird der Regen nicht stärker. Doch die Blitze kommen näher und mittlerweile bin ich direkt unter einer sehr dunklen Wolke. Dank meines Dauersprints liegt mittlerweile aber auch nur noch eine Brücke zwischen mir und den schützenden Hochhäusern. Diese hat es allerdings in sich, da ich auch hier direkt unter Stromleitungen laufen muss und links und rechts keine Gebäude sind. Für etwa 150 Meter habe ich also so gut wie keinen Schutz vor den Blitzen, die immer wieder um mich herum durch den Himmel zucken. Mein Herz pocht nicht nur von dem bisher anstrengenden Lauf. Ich glaube ich bin selten so schnell in meinem Leben gelaufen, wie über diese doch recht lange Brücke. Unter mir brettern die Autos über den Highway, in der Ferne höre ich die laute Hupe von einem Zug und die Blitze folgen inzwischen fast direkt dem Donner. Während ich über die Brücke rase, sehe ich auch einen Blitz durch den Himmel zucken, der aber nur horizontal durch die Wolken zu verlaufen scheint. Auf den letzten Metern habe ich fast Angst hinzufallen, da ich merke, wie die Kraft langsam meine Beine verlässt. Endlich sind sie dann aber da, die schützenden Hochhäuser der Innenstadt von Nashville. Nun heißt es erst einmal durchatmen, ich bin völlig aus der Puste. Zudem setzt jetzt auch noch der Regen stärker ein, weswegen ich mich erst einmal unterstelle. Was für ein Lauf!


Ein wenig später ist das Gewitter davongezogen und ich laufe erschöpft weiter durch die Innenstadt von Nashville. Natürlich passt es zu diesem Nachmittag, dass ich auch noch einen sehr großen Umweg laufen muss, da eine riesige Baustelle verhindert, dass ich meinen direkten Weg zu Lovis finde. Ich laufe Straße um Straße weiter, nur um rechts abbiegen zu können, aber es wird mir von dieser gigantischen Baustelle verwehrt.



Riesige Baustelle inmitten der Innenstadt von Nashville


Nach einer gefühlten Ewigkeit lasse ich auch die Baustelle hinter mir, mit direktem Kurs auf den Treffpunkt. Am Ende bin ich nur für den Rückweg weit mehr als eine gute Stunde unterwegs, obwohl ich zwischendurch so schnell gelaufen bin, wie ich nur konnte. Einen Block vor dem eigentlichen Ziel erspähe ich Lovis. Noch ein paar Meter und ich lasse mich vollkommen fertig in seine Arme fallen.


Aus einem anfangs harmlosen Nachmittag sind mal wieder ereignisreiche Stunden geworden. Wie fast immer, wenn ich mich für ein paar Stunden von Lovis trenne. So habe ich das Gefühl, dass, immer wenn ich alleine unterwegs bin, mir verrückte Dinge widerfahren. Aber solche Stunden zeigen mal wieder, was es für mich bedeutet, auf mich allein gestellt zu sein. Passiert etwas Unerwartetes, stehe ich ziemlich schnell vor einer großen Herausforderung. Ich muss dann Anstrengungen auf mich nehmen, die für körperlich gesunde Menschen gar keine großen Anstrengungen sind. Auch bleiben mir in solchen Situationen häufig weniger Lösungswege. Wäre ich körperlich gesund, hätte ich mir einfach einen E-Scooter schnappen können. Aber ich muss dann in solchen Situationen entweder kreativ werden (nach einer Mitfahrgelegenheit fragen, wo ich mich diesmal aus Sicherheitsgründen dagegen entschieden habe) oder eben die Suppe auf die unangenehme Art und Weise auslöffeln.


Aber aus solchen Situationen gehe ich nur selbstbewusster und gestärkt hervor!


Und sicher war es nicht das letzte Mal, dass ich allein unterwegs war. Ihr könnt euch also auf weitere Geschichten freuen!


P.S.: Ich entschuldige mich für die Qualität der Fotos. Diese sind Screenshots aus Videos, da es für mich einfacher ist, Videos aufzunehmen. Auch musste ich die Ausschnitte anpassen, da ich nur hochkant filmen kann.

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