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#9 - Ziele und die Kunst diese neu zu setzen

Aktualisiert: 20. Juni 2023


Wir beide haben es geschafft. Wir sind zwar nicht, wie auf dem Bild zu sehen, auf 5897m Höhe, sondern auf etwa 4650m, kurz vor dem ersten Refugium, aber sind trotzdem glücklich auf so einer Höhe zu sein und mit der dünnen Luft klar zu kommen.

Foto: Isabel Piñeiros


Was ist ein Ziel? Wie definiert sich Erfolg oder wann ist etwas erfüllend? Diese Frage kommt bei uns Reisenden immer wieder auf. Haben wir genug gesehen? Haben wir die wichtigsten Orte besucht? Welche Orte haben wir nicht gesehen? Achten wir genug auf unser Budget? Achten wir auf uns? Immer wieder erwischen wir uns dabei, uns selbst diese Fragen zu stellen.


Wir waren vor ein paar Tagen auf oder an dem Cotopaxi. Auf 4650 m Höhe habe ich Alex getragen und sind gemeinsam bis an unser Limit gegangen. Damit wir das überhaupt schaffen konnten, brauchte es eine gute Vorbereitung mit viel Zucker, natürlichem Energydrink, Cocablättern und vorab ausreichend viel Zeit auf entsprechender Höhe. Und plötzlich befinden wir uns auf dem Berg, ca. 150 m von unserem Auto entfernt. Wir sind beide sehr hinüber. Wir sind ganz offensichtlich an unser Limit gestoßen und trotzdem ist da diese leise Stimme in mir, die fragt: „Warum sind wir eigentlich nicht höher gegangen?“ Ich stelle mir kurz die Frage, ob ich es ohne Alex vielleicht bis zum ersten Refugium auf knapp 5000 m geschafft hätte. Aber nur kurz. Denn dann sehe ich zu Alex rüber. Ich schaue entlang unseres zurückgelegten Weges nach unten und denke daran, wie anstrengend diese Meter waren. Jeder Schritt ein Kampf miteinander in Richtung eines Steines, auf dem ich ein Foto von uns haben möchte. Jeder Schritt ein Kampf gegen den lockeren, steilen Boden, gegen die dünne Luft. Ein individuelles Ziel, welches wir uns gesetzt haben und schließlich auch erreicht haben. Ich stelle mir die Frage, worum es hier eigentlich geht. Geht es darum, so hoch wie möglich zu kommen? Wo ist der Unterschied zwischen 4650m und 5000m. Ich beantworte mir die Frage selber.


Es geht darum, dass Alex und ich gemeinsam an unsere Grenzen gehen und schauen, wie weit wir gemeinsam als „Interabled Duo“ kommen können.


Und dann denke ich darüber nach, wie wir uns in unserer Gesellschaft immer und immer wieder mit anderen vergleichen. Schauen, wer von meinen Freunden schon einmal dort war, wo ich war, ob ich etwas erreicht habe, was so noch niemand erreicht hat und und und… Es gibt so viele Fragen und Gedanken, die das, was man selber geschafft hat, relativieren können. Aber wir sind stolz auf das, was wir an diesem Tag geschafft haben. Keiner von uns beiden hat das jemals so erlebt. Wir hatten einen fantastischen Blick über den Cotopaxi, einen Tag vor seinem Ausbruch, haben Füchse gesehen und sind an unser gemeinsames Limit gegangen.

Kurzum, ein toller Tag, den wir gemeinsam mit Isabel und ihrem Onkel erlebt haben. Isabel haben wir einige Wochen vorher auf TikTok kennengelernt. Sie hat uns zu sich nach Quito eingeladen und eine fantastische Unterkunft organisieren können, sodass wir im Rückblick sehr dankbar für diesen Ausflug und unsere Wanderung zusammen mit ihr auf 4650 Meter sind.

Wir beide, wie wir uns erschöpft, nach etwa 50 Höhenmetern auf einem Stein niedergelassen haben.

Foto: Isabel Piñeiros

Was nehmen wir mit aus diesem wirklich besonderem Erlebnis? Einerseits Dankbarkeit, für all das, was wir erleben dürfen. Für die Menschen, die wir treffen und die Orte, die wir sehen können. Gleichzeitig lernen wir immer wieder, unsere Ziele zu hinterfragen. Andererseits zu schauen, welche von der Gesellschaft vorgegebenen Ziele realistisch sind und wann für einen selber ein Ziel erreichbar ist. Jede/r hat eigene Grenzen. Es lohnt sich zu schauen, welche persönlich Ziele realistisch und bemerkenswert sind. Nicht alles, was andere Menschen machen, müssen wir auch machen. Jeder und jede schreibt eine eigene Geschichte und bestimmt selber, welche Erfolgserlebnisse es Wert sind, gefeiert zu werden.


An manchen Tagen ist es schon das Aufstehen und das Kochen eines Kaffees. Manchmal ist es auch das Erledigen der Hausarbeit oder der Weg zur Arbeit, Uni oder Schule. An anderen Tagen ist es aber auch ein Erfolgserlebnis, auf 4650 m Höhe zu wandern und einige Tage darauf einen Blogbeitrag zu schreiben.


Seid lieb zu euch selber und setzt euch Ziele, die ambitioniert sind, ihr aber auch erreichen könnt. Denn nichts ist frustrierender, als dauernd die eigenen Ziele nicht zu erreichen. Wenn ihr diese dann auch erreicht habt, belohnt euch mit einem Eis, einem freien Tag oder einfach mit einem entspannten Filmabend auf dem Sofa.

Wir geben uns jeden Tag Mühe, uns ambitionierte Ziele zu setzen, gleichzeitig das Erreichte aber auch wert zu schätzen und zu feiern. Wir hoffen, dass euch das häufig auch gelingt!



Der Blick auf den Cotopaxi aus einer Hütte, in der wir nach dem Trip auf den Vulkan eine Pause eingelegt und etwas gegessen haben. Um den Cotopaxi herum gibt es viele wilde Pferde, ebenso wie Füchse und auch einige Kolibris, für die an der Hütte Tränken mit Zuckerwasser hingen.

Foto: Hurdle The World

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