#11 - Unsere Tipps fürs Reisen mit Behinderung!

Wir sind Alex und Lovis und zusammen reisen wir als Hurdle The World ein Jahr lang durch sechs Kontinente.
In diesem Blogbeitrag erfahrt Ihr, welche Tipps wir zum Thema barrierefreies Reisen haben. Wir teilen mit Euch unsere Erfahrung aus über 10 Monaten Reisen mit Behinderung und welche 5 Faktoren uns dabei helfen, die vielen Hürden dieser Reise zu meistern. Wir hoffen, dass der ein oder andere Tipp für Euch hilfreich ist und Ihr etwas für Eure nächste Reise mitnehmen könnt.
Bevor wir mit den Tipps starten, müssen wir Euch mit einer Wahrheit konfrontieren, die wir teilweise schmerzlich erfahren mussten.
Eine komplett barrierefreie Reise wird es nicht geben.
Denn an irgendeiner unerwarteten Stelle wird es immer anders kommen, als man gedacht oder geplant hat. Da kann man noch so viel recherchiert und organisiert haben, alle Situationen oder plötzliche Überraschungen kann man unmöglich vorher einplanen. Doch es ist definitiv möglich, schwierige Situationen zu verhindern, Unvorhergesehenes zu minimieren und sich auch mental darauf vorzubereiten, dass plötzlich etwas schief läuft.
Diese Tipps ersetzen natürlich nicht eine gute Recherche eurerseits und wir heben auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es sind jedoch Faktoren, die uns bei unserem Abenteuer durch bald 6 Kontinente geholfen haben.
Einige Punkte werden dem ein oder anderen sicherlich als selbstverständlich vorkommen. Wir halten sie hier trotzdem fest, da man schnell selbstverständliche Dinge vernachlässigt oder gar nicht erst beachtet. Falls Ihr den einen oder anderen Punkt schon kennt oder Euch dessen bewusst seid, dann springt einfach zum nächsten Punkt. Wir sind sicher, dass für fast jede(n) etwas dabei ist.
Tipp Nr. 1 : Gute Recherche
Es gibt einige, vor allem organisatorische Dinge, die jede(r) Reisende(r) vor dem eigenen Abenteuer erledigen und recherchieren muss. Einen Ort oder eine Region heraussuchen, Flüge, Züge oder sonstige Verkehrsmittel dorthin und vor Ort eine Unterkunft buchen, u.U. ein Visum oder ähnliches beantragen, Dinge planen die man vor Ort erleben oder machen möchte, sich überlegen was man mitnimmt, gesundheitliche Dinge beachten etc.
Bei vielen dieser Dinge, gibt es für Menschen mit einer Behinderung noch zusätzliches, was beachtet werden muss.
1.1. Wo will man hin?
Wir haben diesbezüglich kaum andere Anforderungen an den Ort gestellt, als es Menschen ohne eine Beeinträchtigung machen würden. Ob das immer schlau war? Nein! Das Resultat sah dann nämlich oftmals so aus, dass Lovis Alex während der Reise immer wieder tragen musste oder es für Alex deutlich schwieriger zu laufen war, weil die Straßen keine wirklichen (also nicht befestigte) Straßen waren, die Wege zu steil oder der Verkehr einfach nur der Wahnsinn war.
Wir wollen Euch auf keinen Fall Grenzen aufzeigen und sagen, dass ihr immer vernünftig sein sollt, aber es kann auf jeden Fall nicht schaden, sich vorher über den Zustand des Reiseortes schlau zu machen. Wie kommt man vor Ort von A nach B, sind die Gehwege gut ausgebaut, gibt es moderne Gebäude mit Fahrstühlen etc.? Solche Dinge sollte man im Kopf haben und kann nach diesen zielgenau im Internet suchen.
1.2 Wie kommt man zu der gewünschten Destination?
schlau, sich frühzeitig an die jeweilige Airline zu wenden, um sich darüber zu informieren, wie der Flug mit einem Rollstuhl abläuft. Es gibt für viele unterschiedliche Mobilitätshilfen, Methoden und Möglichkeiten, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Kontaktiert hierfür früh genug den Reiseanbieter oder die Fluggesellschaft etc.
Um die Reise dann vor Ort genießen zu können und nicht nur an einem Ort festzustecken, solltet ihr Euch auch auf jeden Fall darüber informieren, wie der lokale Transport aufgebaut ist. Ist das Metro-/Bahnsystem barrierefrei? Gibt es behindertengerechte Taxen? Sind die Wege um zu Fuß zu gehen oder mit dem Rollstuhl zu fahren geeignet? Wie ist der Ort an sich ausgelegt?
1.3 Unterkunft.
Einen weiteren zentralen Punkt bildet die Unterkunft. Plattformen wie Booking.com, Airbnb oder auch Hostelworld (unsere drei meistgenutzten Plattformen, es gibt aber natürlich noch andere) bieten mittlerweile Filter an, mit dessen Hilfe Euch nur barrierefreie Unterkünfte angezeigt werden. Funktioniert häufig, aber auch nicht immer. Gerade wenn man bei Airbnb diesen Filter anwendet, werden Euch häufig gar keine oder nur sehr teure Unterkünfte angezeigt. Über Booking.com und Hostelworld haben wir aber meistens sehr gute Erfahrungen gemacht.
Wenn man dann auch schon vorher weiß, was man auf der eigenen Reise für Unternehmungen vorhat, kann man sich über die Barrierefreiheit dieser Aktivitäten natürlich auch schon informieren. Ihr würdet Euch allerdings auch wundern, was spontan alles möglich ist, ohne vorher groß etwas organisiert zu haben.
1.4 Besonderheiten vor Ort
Auch müsst Ihr natürlich daran denken, dass Ihr möglicherweise (kommt auf Eure Reise an) in eine komplett andere Umgebung eintauchen werdet. Für viele Regionen ist es ratsam, sich vorher gegen die unterschiedlichsten Krankheiten impfen zu lassen. Bespricht das unbedingt vorher mit dem Arzt Eures Vertrauens. Hier spielt auch die Frage eine Rolle, inwiefern eine notwendige Impfung ein Risiko für Eure Gesundheit darstellt. Möglicherweise ist die medizinische Versorgung eine andere oder nicht so stabil und Ihr habt plötzlich Kommunikationsprobleme, weil keiner Eure Sprache spricht. Das kann für die oder den eine(n) oder andere(n) sehr wichtig sein, das also bitte mit auf dem Schirm haben. Besprecht am besten gleich, wenn Ihr beim Arzt seid, welche sonstigen Gesundheitsrisiken speziell für Euch bestehen.
Der letzte Punkt sind Medikamente. Ihr müsst in manchen Länder spezielle Bescheinigungen haben, um Medikamente einführen zu dürfen. Das kann besonders wichtig sein, wenn ihr länger unterwegs seid.
Zu diesem ersten Tipp wollen wir Euch am Ende noch ein tolles Startup mit an die Hand geben. Hier handelt es sich um unbezahlte Werbung, wir finden das Projekt nur einfach gut!
„Wheel The World“ ist eine Plattform, über die Ihr alles mögliche zum Thema barrierefreies Reisen finden könnt. Das Unternehmen hat eine Suchmaschine für barrierefreie Hotels, barrierefreie Aktivitäten und sogar barrierefreie Gruppentouren, sowie Mehrtages Ausflüge (überall auf der Welt verteilt) gegründet. Einmal dort vorbei schauen lohnt sich auf jeden Fall!
Wenn ihr die Recherche vor Eurer Reise ernst nehmt, habt ihr im Zweifel vor Ort mehr Freiheiten und könnt das Abenteuer mehr genießen.
Tipp Nr. 2 : Bereitet euch auch mental vor.
Habt keine zu hohen Erwartungen. Aber auch nicht zu kleine!
Diese Welt ist bisher nicht für barrierefreie Reisen gemacht. Es wird immer Situationen auf einer Reise geben, in denen man als Mensch mit einer Behinderung auf unerwartete Hürden trifft und einfach nicht weiterkommt. Das lässt einen in dem Moment vielleicht verzweifeln, wie es auch schon uns hat verzweifeln lassen. In solchen Momenten ist es ratsam, sich daran zu erinnern, warum man diese Reise gerade unternimmt. Ohne sich im Vornherein dessen bewusst zu werden, kann man schnell an einen Punkt gelangen, an dem man nicht weiterreisen möchte. Dies gilt unserer Meinung nach, vor allem für längere Reisen.
Wenn man sich aber vor der Reise mit Hürden und Problemen schon mental auseinandersetzt, dann kann man automatisch mit einer anderen Einstellung an solche Situationen herangehen. Es wird Euch in solchen Momenten Kraft geben, an die Zeit vor der Reise zurückzudenken und Euch zu erinnern, dass Ihr schon damals wusstet, dass es schwierige Momente geben wird, in denen Ihr vielleicht am liebsten die Reise abbrechen würdet. Ruft Euch in Erinnerung, dass sich trotz solcher Momente die Reise auf jeden Fall lohnt.
Tipp Nr. 3 : Fragen!
Am Anfang hat sich Alex damit schwer getan, in Situationen in denen Lovis schon ausgelastet war oder nicht verfügbar war, Fremde nach Hilfe zu fragen. Andere Sprache, andere Kultur, man weiß einfach nicht genau, was einen erwartet, wenn man nach Hilfe fragt. Das war unsere anfängliche Einstellung. Doch schnell haben wir gemerkt: Die Welt ist voller netter und sehr hilfsbereiter Menschen. Gerade da, wo man vielleicht die meisten Bedenken hat, weil das Umfeld ganz anders ist, als man es eigentlich kennt und es zusätzlich kulturelle und sprachliche Barrieren gibt, da ist die Hilfsbereitschaft bei der Bevölkerung besonders ausgeprägt. Wir haben die Erfahrung gemacht, je weniger „westlich“ das Land ist, desto höher die Hilfsbereitschaft!
Also traut Euch zu fragen. Das ist vollkommen in Ordnung und Ihr braucht Euch dabei auf gar keinen Fall schlecht fühlen. Fast alle Menschen freuen sich sogar darüber, wenn sie Hilfe leisten können. Nebenbei kommt man auch noch mit „Locals“ ins Gespräch. So sind meistens die besten Gespräche mit den Menschen vor Ort entstanden, wenn wir sie anfangs um Hilfe geboten haben. Und das schlimmste was Euch entgegnet werden kann, ist ein kurzes „Nein“ oder Ihr werdet einfach ignoriert.
Tipp Nr. 4 : Wähle die/den richtige(n) Reisepartner*in
Wir haben von vielen Reisepaaren, ob es nun freundschaftliche oder Liebespaare waren, gehört, dass sie es schon teilweise anstrengend finden, für ein paar Wochen geschweige denn ein paar Monate miteinander zu verreisen. Und auch haben wir genügend Geschichten darüber gehört, wie sich Freund*innen gar nicht erst getraut haben, zusammen eine Reise anzutreten. Zu recht. Denn es gibt auch genügend Fälle, bei denen eine Freundschaft zumindest an einer solch langen Reise, wie wir sie machen, kaputt gegangen ist. Und das ist unserer Meinung nach, die beste Reise nicht wert.
Ihr habt im Grunde, wenn ihr nicht alleine reisen könnt, da ihr auf die Hilfe anderer angewiesen seid, die Möglichkeit mit einer Person zusammen zu reisen, die ihr noch nicht oder wenig kennt oder mit einer Person zu reisen, die ihr schon lange und sehr gut kennt.
Bei einer relativ fremden Person, ist das Risiko eine bestehende Freundschaft zu riskieren geringer, kann aber zu Problemen führen, da ihr als Team noch nicht so gut eingespielt seid. Das Risiko ist recht groß, dass Ihr nach ein paar Wochen Reise merkt, dass es so nicht weitergehen kann, was normalerweise dann zu dem Ende der Reise führt.
Deswegen würden wir Euch empfehlen, mit jemandem zusammen zu reisen, den Ihr schon wirklich sehr gut und lange kennt! Auch mit dieser Person wird es unterwegs definitiv Streitigkeiten und Differenzen geben, doch das Band der Freundschaft ist idealerweise dick genug, um das auszuhalten. Wir kennen einige Beispiele bei denen das sehr gut geklappt hat. Wichtig: Seid Euch vorher den Rollen bewusst und sprecht Euch ab, was wer wann für wen leisten muss.
Ein letzter Rat, wenn ihr zusammen mit jemandem anderen verreist: Sprecht vorher außerdem unbedingt ausführlich über Eure Erwartungshaltung. Welches Ziel habt Ihr? Was verfolgt Ihr mit der Reise? Warum macht Ihr sie? Die Motive, auf diese Reise zu gehen, sollten sehr ähnlich sein. Sonst werdet Ihr auf der Reise schnell merken, dass Ihr Euch eigentlich zwei ganz unterschiedliche Reisen in Euren Köpfen ausgemalt habt. Das wird dann über kurz oder lang auch problematisch!
Tipp Nr. 5 : Mutig sein!
Das klingt jetzt erstmal für den einen oder anderen anmaßend. Es ist leichter gesagt, als getan, könntet Ihr jetzt auch sagen. Und Mut ist auch nichts, was an jeder Ecke herumliegt und für jeden einfach abrufbar ist. Das ist auch komplett normal und verständlich. Es gibt unserer Meinung nach keine Schritt für Schritt Anleitung, um mutig zu sein. Wir können Euch aber sagen, aus was Mut besteht. Für uns hängt Mut maßgeblich mit dem Faktor der Leidenschaft zusammen. Je größer die Leidenschaft für etwas ist, also wie stark Du für etwas brennst, desto wahrscheinlicher ist es, dass Du deine Leidenschaft entgegen aller Bedenken, Schwierigkeiten und Gefahren auch auslebst. Leidenschaften treiben einen dazu, etwas unbedingt machen zu wollen. Zumindest ist das unsere Erfahrung. Unter anderem machen wir deswegen auch diese Weltreise.
Ganz wichtig: Diese Sprüche „Du musst nur etwas genug wollen, dann schaffst du es auch!“ darf man nicht zu Ernst nehmen. Denn es gibt leider immer noch Naturgesetze auf dieser Welt, die etwas für einen unmöglich machen. Und auch gibt es Rahmenbedingungen, die es extrem schwer machen, etwas zu erreichen. Dieser Person dann ins Gesicht zu sagen, du musst dich nur genug anstrengen, beziehungsweise etwas nur genug wollen, kann wie ein Schlag ins Gesicht wirken.
Sich dazu zu entscheiden, eine Weltreise oder Reise größerer Art zu machen, ist von vornherein schon einmal eine mutige Entscheidung. Das wurde uns schon sehr oft so widergespiegelt. Leider erfordert das Reisen mit einer Behinderung heutzutage immer noch mehr Mut. Es gibt zwar mittlerweile Wege, weitgehend barrierefrei zu reisen, doch spielt das Thema Ungewissheit immer noch eine große Rolle. Und dieser Ungewissheit entgegenzutreten, erfordert Mut.
Sollte Eure Leidenschaft aber das Reisen sein und das Verlangen danach groß genug sein, wird Euer Mut am Ende ganz von selber kommen, davon sind wir überzeugt.
Unserer Meinung nach bedarf es vor allem dieser 5 Faktoren, um erfolgreich eine Reise als Mensch mit einer Behinderung anzutreten und am Ende des Tages auch zu absolvieren. Dieser Blog wirkt auf den ersten Blick vielleicht ein wenig entmutigend und erdrückend von der Masse her. Er soll aber genau das Gegenteil sein: Eine Art Leitfaden für Euch, wenn Ihr schon immer mal wieder über das Thema Reisen nachgedacht habt, Ihr euch aber noch nie wirklich daran getraut habt.
Bonustipp:
Vergleicht Euch nicht mit anderen. Lasst Euch inspirieren, schaut Euch an, was andere geschafft und erlebt haben, aber vergleicht Euch nicht mit den Leistungen von anderen Reisenden. Ihr seid einzigartig und mit dem was ihr wie macht gut! Schreibt Eure eigenen Geschichte und macht es so, wie es für Euch am besten passt.
Gutes Reisen. Und wie immer, wenn ihr Fragen habt, sind wir gerne für Euch da!